Neue Reifengrößen
Seit der Entstehung des Mountainbikes schreitet dessen Evolution unaufhaltsam immer weiter voran. Durch Innovation, Kreativität und den Einsatz modernster Technologien stehen uns heutzutage Fahrräder zur Verfügung, die nahezu perfekt erscheinen. Eigentlich könnte man meinen, dass hiermit der Endstand erreicht sein müsste. Doch weit gefehlt, die findigen Tüftler lassen nichts unversucht, das Fahrradfahren noch perfekter zu gestalten. Neue Standards und Normen überrollen den Markt nahezu, hier nicht den Überblick zu verlieren ist schon ein Kunststück für sich. Besonders im Bereich der Bereifung hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Kaum hatte sich 650b bzw. 27,5“ etabliert, rollte schon die nächste Welle mit den Fatbikes über die Mountainbiker! Selbst die schärfsten Kritiker des Fatbikes mussten zugeben, dass die großvolumigen Reifen einige Vorteile mit sich bringen. Vorteile, die die neueste Generation Reifen sich zugute macht: Die Rede ist von den sogenannten Plus Reifen, sprich 26+, 27,5+ und 29+. Doch was genau steckt dahinter, und welche Vorteile oder auch Nachteile bringen diese neuen Reifengrößen dem Mountainbiker?
Plusreifen: Die Quadratur des Kreises?
Bei vielen Bikern sorgt dieses kleine Pluszeichen allerdings mächtig für Verwirrung. Im Grunde genommen steht das + eigentlich nur für dicke Reifen ab 2,8 Zoll. Dicke Reifen? Da war doch mal was! Richtig, bereits vor über 10 Jahren gab es mit dem Nokian Gazzaloddi den Vorläufer der jetzigen Plus Generation. Obwohl der Gazzaloddi damals schon aufgrund seines unglaublich guten Rollverhaltens auf ruppigen Stein- und Wurzelpassagen für ordentlich Furore sorgte, sollte dem dicken Schlappen nicht so recht der Durchbruch gelingen. Allerdings reicht die Geschichte des großvolumigen Reifens noch viel, viel weiter zurück – genauer gesagt bis zu den Anfängen des Mountainbikes. Damals sind die Pioniere des Mountainbikes um Gary Fisher & Co. mit ihren Clunker Bikes und Ballonreifen unterwegs gewesen. So betrachtet greift die Plus-Generation ein altbekanntes Thema auf und entwickelte die Reifen weiter! Ein Grund, weshalb dicke Reifen wie der Gazzaloddi sich damals nicht durchsetzen konnten, war der immens hohe Rollwiderstand. Die in Vergessenheit geratenen großvolumigen Reifen erlebten mit den Fatbikes ein Comeback – und was für eines!
Dicke Schlappen? Was soll mir das bringen?
Doch die Zeit schreitet voran, die Trails werden härter und anspruchsvoller. Immer mehr Biker wollen mehr aus sich und ihrem Bike herausholen. Genau diese Punkte greifen die neuen Plusreifen auf: Den Einsatzbereich des Bikes zu erweitern, die persönlichen Grenzen hochzuschrauben und Trails zu fahren, die eigentlich als unfahrbar gelten. Wieso nicht mal die Tour durch die Wüste wagen, einen heißen Ritt auf dem Vulkan anvisieren oder die Schönheit verschneiter Landschaften entdecken? Hier setzt zweifelsohne der Denkansatz von Fatbikes an. Die voluminösen Reifen bieten perfekten Grip bei jeglichem losen Untergrund und Matsch und bescheren dem Rider dazu höchsten Fahrkomfort. Doch auch bei diesen Reifen geht nichts ohne ein gewisses Maß an Kompromissen! So stößt das träge und schwammige Fahrverhalten nicht bei allen Bikern auf Gegenliebe. Hier stellen die Plusreifen die geniale Lösung dar! Die Reifen bieten einen niedrigen Rollwiderstand, das Gewicht bewegt sich ebenfalls im grünen Bereich und zudem lassen sich die Reifen mit wenig Luft fahren. Das bedeutet wiederum, dass die Traktion und der Fahrkomfort steigen im Vergleich zum herkömmlichen Reifen.
Jetzt wird’s eng! Platz muss her!
Grundvoraussetzung für die Montage eines Plusreifens ist natürlich eine ausreichende Reifenfreiheit des Rahmens. Bei der neuen Reifengeneration sollte man bedenken, dass die Reifen nicht nur breiter, sondern auch höher sind! Im Klartext heißt dass, das ein 26+ Reifen auch mit einem 27,5“ Rahmen kombiniert werden könnte und ein 27,5+ Reifen mit einem 29“ Rahmen. Allerdings sollte die Kettenlinie nicht aus den Augen verloren werden. Hier könnte so mancher Rahmen seinem Besitzer einen Strich durch die Rechnung machen. Hilfe ist aber in Sicht: Der neue Hinterachs-Standard Boost 148 lässt die Kettenlinie weiter nach außen wandern.
Kurzlebige Modeerscheinung oder Trend mit Zukunft?
Nicht immer setzen sich Trends durch. Bei den Plusreifen ist allerdings davon auszugehen, dass sie sich auf dem Markt behaupten können. Der wichtigste Denkansatz ist hierbei, dass die Plusreifen nicht die bestehenden Reifengrößen ablösen werden oder sollen, sondern erweitern. Jeder Biker kann somit seinen Anforderungen und Bedürfnissen entsprechend mit den Reifengrößen experimentieren und für sich das Optimum ermitteln. Dadurch, dass viele Plusreifen oftmals mit dem vorhandenen Material genutzt werden können, ist die Akzeptanz bereits jetzt sehr hoch. Inwieweit die Hersteller die veränderten Anforderungen bei den Rahmen und Gabeln berücksichtigen, bleibt natürlich abzuwarten. Vor allem könnten die 26 Zoll Mountainbikes wieder kräftig Aufwind bekommen und dem 27,5 Zoll Bike Konkurrenz machen. Für viele Biker könnte 26+ auch das bessere 27.5 bedeuten: Gleicher Außendurchmesser und bessere Dämpfung bei gleichem Gewicht. Besonders im Gravity sind die stabileren Laufräder ein weiterer Pluspunkt.
Fazit
Plusreifen sind sicherlich nicht die Quadratur des Kreises, allerdings erweitern sie enorm den Spielraum des einzelnen Mountainbikers. Da die Reifen bereits in vielen bestehenden Bikes eingesetzt werden können, steht dem Spaß mit dem kleinen Pluszeichen kaum noch etwas im Wege!